Um die aktuellen Herausforderungen in der Landwirtschaft, ein Resümee der Proteste vor einem Jahr und die Erwartungen an eine neue Bundesregierung ging es in einer Diskussionsrunde mit der SPD-Bundestagsabgeordneten Marja-Liisa Völlers und ihrer Kollegin Susanne Mittag, Sprecherin der Arbeitsgruppe für Ernährung und Landwirtschaft in der SPD-Bundestagsfraktion. Dazu wurden unter anderem Vertreter des Landvolks Weserbergland und Mittelweser, die Kreislandwirte Nienburg und Schaumburg sowie die Vorsitzenden der Junglandwirte Niedersachsen und einzelne Vertreterinnen und Vertreter landwirtschaftlicher Betriebe im Bundestagswahlkreis Nienburg II-Schaumburg eingeladen, die in den vergangenen Jahren das Gespräch gesucht haben. Für den SPD-Ortsverein Samtgemeinde Niedernwöhren waren zudem Sabine Druschke und Carina Wischhöfer vertreten.

„Wir wollen regelmäßig im Dialog bleiben, so hatten wir es zu Beginn dieser Wahlperiode vereinbart“, begrüßte Marja-Liisa Völlers die Teilnehmenden im Sitzungssaal der gastgebenden Raiffeisen-Landbund eG in Niedernwöhren. Susanne Mittag war als zuständige Expertin in Berlin daher auch zum dritten Mal binnen drei Jahren zu Gast, um sich den Fragen, der Kritik und den Anregungen der hiesigen Landwirtschaftsvertreter zu stellen. Dies sei ihr ein Herzensanliegen betonte sie, denn vieles lasse sich im persönlichen Gespräch direkt klären.

Zugleich machte die landwirtschaftspolitische Sprecherin auch gleich zu Beginn klar, dass die vorgezogenen Neuwahlen gerade für ihren Fachbereich „nicht gerade hilfreich waren.“ Einige Gesetze, die kurz vor dem Abschluss standen, werden nun in der Kürze der Zeit nicht mehr umgesetzt werden können. Auch zeigte sie Verständnis für den Unmut und die Proteste Anfang des vergangenen Jahres. Zu den viel beklagten bürokratischen Hürden hielt sie aber fest „was sich 15 Jahre lang an Bürokratie aufgebaut hat, lässt sich nicht in einem Jahr wieder abbauen,“ hier müsse man trotz aller Bemühungen in Berlin auch realistisch bleiben.

„Hier ist ja durch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer heute die ganze Bandbreite der Landwirtschaft vertreten“, stellte Susanne Mittag fest. Daher gab es zunächst einen allgemeinen Überblick zu wichtigen politischen Themen, wie der Evaluation zur Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP), die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, die Agraranpassung im Lieferkettengesetz und das Düngegesetz, welches sogleich zu vielen Fragen führte. Nach Scheitern des Gesetzes zu den Düngeregeln zum Schutz des Grundwassers im Bundesrat ist nun das zwischen Bund und Länder laufende Vermittlungsverfahren an der Unvereinbarkeit der verschiedenen Länderpositionen gescheitert, berichtete Susanne Mittag. Der Streit drehe sich vorrangig um die ersatzlose Abschaffung der Stoffstrombilanzverordnung. "Die Möglichkeit, vor der Bundestagswahl eine Einigung zu erzielen, wäre da gewesen." Damit werden die deutschen Landwirte bestraft und ein Problem weiter verschoben, da das nun geltende Monitoringverfahren zu keiner zufriedenstellenden Lösung führe, konstatieren auch die anwesenden Landwirtschaftsvertreter. „Dies fördert leider auch bei vielen die Politikverdrossenheit, wenn sich 16 Bundesländer und Bundestag nicht einigen können“, so Hartmut Brunkhorst, Vorstandsmitglied der Raiffeisen-Landbund eG in Niedernwöhren. Henrik Schweer aus Hagenburg ergänzte: „Bei den roten Gebieten sind nicht nur die Landwirte die Verursacher. Warum sanktioniert man die ganze Branche?“ Um im Nitrat-Monitoring herauszufinden, wer tatsächlich das Grundwasser verunreinigt, brauche es Jahre. „Wer entschädigt denn am Ende die landwirtschaftlichen Betriebe, wenn sich dann im Monitoring herausstellt, dass es andere Verursacher gab und nur wir bestraft wurden?“ Susanne Mittag sicherte zu, diesen Aspekt an die zukünftige Verhandlungsebene weiterzugeben.

Marco Gottschalk, Geschäftsführer der Raiffeisen-Landbund eG in Niedernwöhren hatte bereits im Vorfeld auf die Anliegen der Landwirtschaft aufmerksam gemacht. So fordere man beispielsweise, dass die Pflanzenschutzzulassung in der EU einheitlich, nach wissenschaftlichen Kriterien und ohne deutsche Sonderwege erfolgen solle. „Viele Landwirte haben das Gefühl, dass die Vorgaben von europäischer Seite in Deutschland besonders streng umgesetzt werden“, beklagt Gottschalk. Wenn Verbote erfolgen, dann sollten sie daher auch europaweit und auch für importierte Lebensmittel gelten, sonst sei die deutsche Landwirtschaft auch im Wettbewerb zwangsläufig im Nachteil. So fordere man auch beim Agrardiesel eine Besteuerung in Höhe des EU-Durchschnitts. Das wären 0,40 € weniger/l als bisher, erklärt er.

Ebenfalls intensiv diskutiert wurde die Zukunft von Biogasanlagen. "Die Anlagenbetreiber können jahrelange Genehmigungsverfahren und Millioneninvestitionen nur machen, wenn es politische Planungssicherheit gibt,“ so Achim Pohl, Vorsitzender im Landkreis Schaumburg des Landvolkes Weserbergland. „Wir haben gut funktionierende Biogasanlagen hier bei uns zu Hause“, weiß auch Marja-Liisa Völlers von zahlreichen Vor-Ort- Besuchen. Wenn die erstmal runtergefahren sind, stünde man vor einem großen Problem, befürchten beide.

Daher habe man in den wenigen verbleibenden Sitzungstagen vor den Neuwahlen eine Übergangslösung geschaffen, um den Weiterbetrieb vieler älterer Anlagen nicht zu gefährden, die mit dem Auslaufen der EEG-Förderung nach 20 Jahren sonst vor dem Aus gestanden hätten. „Die neue Bundesregierung wird sich dann zügig um eine sinnvolle Lösung kümmern müssen, die die Investitionen der Anlagenbetreiber schützt und zugleich die Klimaziele Deutschlands berücksichtigt werden“, so Marja-Liisa Völlers. „Biogasanlagen sind ein wichtiger Baustein der Energiewende. Ich setze mich dafür ein, dass dies in Berlin nicht in Vergessenheit gerät“, so die heimische Abgeordnete.

Einig waren sich die Tierhalterinnen und Tierhalter in der Runde, wie Anneke Kreißig von den Junglandwirten Niedersachsen, Tobias Göckeritz als Kreislandwirt Nienburg und Achim Pohl, dass diese fast schon zu einer aussterbenden Art gehören. „Auch wir brauchen mehr Planungssicherheit. Sich ständig fragen zu müssen, welche Regelungen noch wie lange gelten, sind nicht förderlich für den Betrieb“, so Kreißig. „Wir alle lieben unseren Beruf, anders hätten wir schon längst das Handtuch geworfen.“

In ihrem Schlusswort gab Susanne Mittag noch einen Ausblick auf die konkreten Aufgaben an die neue Bundesregierung. Neben den diskutierten Themen ginge es auch darum, eine nationale Sicherheitsstrategie festzuschreiben, die im Katastrophenfall den Betrieb in der Landwirtschaft sicherstellt. „Landwirtschaft bedeutet Leben. Wir sind in der Bevölkerung tagtäglich darauf angewiesen, dass unsere landwirtschaftlichen Betriebe funktionieren“, so Mittag. Dazu gehöre dann aber auch für den Krisenfall vorzubeugen und Pläne zu haben, wie bei Stromausfall weitergearbeitet werden kann oder beispielsweise bei Hochwasser Tiere evakuiert werden können. „Alles in der Hoffnung, dass wir diese Pläne niemals brauchen werden".